Dehnen – macht es Sinn? Vor- und Nachteile für Läufer*innen

Dehnen?

Ja, habe ich irgendwie auch immer „vergessen“. Und ja, Spaß macht es meist auch nicht unbedingt.

Aber mittlerweile weiß ich die Effekte vom Dehnen sehr zu schätzen. Heute gibt es deshalb einen Überblick zu den Basics und welches Setup ihr zeitlich gut in euren Alltag integrieren könnt.

Vorteile

Der große Vorteil liegt dann irgendwie schon auf der Hand. Dehnen ermöglicht euch eine bessere Laufökonomie. Sprich, dehnt ihr kurz vor einer Einheit bestimmte Muskelgruppen, könnt ihr schneller und entspannter loslaufen. Es gehört also mit zur Aufwärmphase.

Alle Profis bis hin zu Kipchoge haben eine Stretch-Routine und laufen zudem oft sehr langsam los (viele Kenianer starten ihre Longruns bei 5:30/km).

Durch das Dehnen öffnet sich eure Muskulatur. Und mittels gezielter Übungen können bspw. Beinhub sowie der Bodenabdruck verbessert werden. Ihr werdet sehen, dass ihr nach 5-10 Minuten Dehnen von Anfang an leichter und vor allem auch schneller loslaufen könnt.

Zudem beugt Dehnen Zerrungen und Verkrampfungen vor, da ihr keinen Kaltstart hinlegt.

Nachteile

Grundsätzlich hat Dehnen keine Nachteile. In der Art und Weise wie ihr es ausführt, kann es allerdings problematisch werden. Es ist also etwas Vorsicht geboten.

Worauf sollte man achten?

  • Direkt nach einem sehr intensiven Training

Zu diesem Zeitpunkt bestehen bereits Miniverletzungen in der muskulären Struktur und diese können durch intensives Dehnen verschlimmert werden. Also eher entspannt und ohne Druck in die Dehnung gehen.

  • Bei extremem Muskelkater

Habt ihr ein oder zwei Tage zuvor ein sehr hartes Training absolviert und kämpft nun mit Muskelkater, sollte man nicht versuchen, diesen mit Dehnen zu bekämpfen. Ein zu starkes Dehnen kann sogar kontraproduktiv sein und die Erholung verlängern. Wie direkt nach einem intensiven Training gilt: entspannt dehnen!

  • Zu extremes Dehnen ohne Aufwärmen

Geht ihr ohne vorheriges Auflockern direkt in eine extreme Dehnung, wächst das Potential für Verletzungen. Steigert also nur leicht. Und wenn ihr Anfänger seid, dehnt nicht zu weit. Es muss und sollte nicht wehtun. Ein deutlich spürbarer Zug ist wichtig, aber er sollte auch problemlos auszuhalten sein. Denn nur, wenn wir 2-3 Minuten dauerhaft in einer Dehnung bleiben, gibt es wirklich einen Effekt. Die kurzen Dehnungen, die wir oft bei Fußballern sehen, lohnen sich fast nicht.

  • Zu schnell dehnen

Nicht nur die Intensität ist relevant, sondern auch die Geschwindigkeit. Insbesondere bei Anfängern kann eine zu hastig ausgeführte Dehnung zu Zerrungen und Verspannungen führen. Also genau das, was wir versuchen, zu vermeiden.

WICHTIG!

Dehnt also nicht zu schnell, nicht zu ruckartig und nicht zu intensiv.

Dehnen speziell für Trailläufer

Insbesondere für Trailläufer ist ein Ausgleich zwischen der vorderen und hinteren Oberschenkelmuskulatur wichtig. Durch das hoch und runterlaufen wirken hier extreme Kräfte, die ein schlechtes Spannungsverhältnis aufbauen können. Diese Disbalance kann ultimativ zu Rücken- und Knieschmerzen führen.

Achtet also darauf, dass ihr vor allem die hintere Oberschenkelmuskulatur (Hamstring) ausreichend dehnt. Ihr werdet merken, dass sich dadurch auch der Rücken entspannt.

Hilfsmittel

Viel braucht man zum Glück nicht. Hilfreich sind lediglich eine klassische Yoga-Matte und evtl. ein Theraband, um Übungen leichter ausführen zu können. Beides zusammen gibt es schon ab ca. 25 Euro.

Dehnen – Ausführung

Wie bereits erwähnt lohnt sich ein kurzes Dehnen fast nicht!

Wenn ihr euch schon bemüht, dann macht es richtig. Pro Übung sollten je Seite 2-3 Minuten eingerechnet werden. Im Idealfall macht ihr 2 oder 3 Wiederholungen. Begrenzt ihr die einzelnen Übungen auf 3-4 relevante, dauert die ganze Aktion also nicht länger als 15-20 Minuten. Schafft ihr es, diese Routine 3-4x pro Woche auszuführen, seid ihr auf einem sehr guten Weg.

Das Schöne ist: Dehnen kann man einfach überall!

Dehnen – Übungen

Selbstverständlich sind auch Dehnübungen individuell zu gestalten. Denn jeder hat seine eigenen Problemzonen. Heute möchte ich euch dennoch eine gezielte Auswahl präsentieren, die allgemein Sinn macht und euch für flache sowie bergige Läufe gut vorbereiten kann.

  • Ausfallschritt für Hüftbeuger

Ihr setzt das Standbein nach vorne (rechter Winkel in Hüfte und Kniekehle) und das zweite Bein mit dem Knie auf eine weiche Unterlage. Der Oberkörper bleibt gerade und ihr lasst euer Becken nach unten sinken. Im Idealfall bilden anschließend beide Oberschenkel eine Linie. Dadurch entsteht Zug auf der Vorderseite des Oberschenkels am hinteren Bein. Auch die Leiste wird gedehnt.

Add-On: Theraband um Fußgelenk am hinteren Bein legen und über die Schulter ziehen (nicht für Anfänger geeignet). Das macht vor allem vor einer Einheit die Muskulatur auf und ermöglicht einen leichteren Beinhub.

  • Standdehnung für Hamstrings

Das Standbein ist leicht angewinkelt. Das zu dehnende Bein wird leicht nach vorne gestellt und komplett durchgestreckt. Der Oberkörper rollt sich langsam nach vorne in Richtung des gestreckten Beins ein. Dadurch entsteht Zug im hinteren Oberschenkel (Hamstrings).

Add-On: Theraband um Fuß des gedehnten Beins legen und leicht zum Oberkörper ziehen.

  • Grätsche für Adduktoren

Die Position der Grätsche einnehmen und auf eine Seite verlagern. Dabei wird ein Bein angewinkelt. Wir kommen so in eine Art seitlicher Ausfallschritt. Der Oberkörper bleibt dabei gerade und ist leicht nach vorne gekippt. Am gestreckten Bein entsteht nun Zug an der Innenseite des Oberschenkels bis hoch zur Leiste. Diese Übung beugt sehr gut Zerrungen bei plötzlichen Richtungswechseln auf Trails vor und stabilisiert das Becken.

Aufpassen: Geht vor allem zu Beginn nicht zu stark in diese Dehnung. Das Verletzungspotential ist groß, da diese Übung im Alltag so praktisch nie umgesetzt wird.

  • Sitzen für den unteren Rücken

Setzt euch ohne extra Unterlage auf eure Yogamatte oder den nackten Boden und streckt beide Beine nach vorne aus. Diese bleiben komplett durchgestreckt und ihr versucht, mit den Händen die Zehen zu greifen. Falls das nicht funktioniert, ist das überhaupt nicht problematisch. Es kommt nur darauf an, dass ihr eine deutliche, aber auch angenehme Dehnung im unteren Rücken sowie in den Hamstrings spürt. Atmet während der Ausführung immer wieder tief ein und aus. Beim Ausatmen könnt ihr euch jedes Mal ein wenig weiter in die Dehnung sinken lassen. Diese Übung beugt dem Beckenkippen vor, was beim Laufen ein Hohlkreuz verhindert. Dadurch werden Rückenschmerzen umgangen (bspw. ISG).

Add-On: Insbesondere, wenn ihr eure Zehen nicht greifen könnt, lohnt sich ein Theraband. Wickelt es um die Füße und greift es mit den Händen. So lässt sich die Dehnung flexibel gestalten.

  • Standdehnung für Wade/Achillessehne

Sucht euch eine hohe Stufe im Treppenhaus oder sonst wo und stellt euch darauf. Ihr schaut in die Richtung, die nach oben führt und lasst die Ferse sowie den Mittelfuß von einem Bein von der Stufe nach unten hängen. Das andere Bein hängt ohne Bodenberührung komplett runter. Diese Übung mobilisiert die Wade und gibt der Achillessehne mehr Beweglichkeit. Das hilft euch insbesondere bei steilen Läufen am Berg.

Aufpassen: Achtet beim Seitenwechsel darauf, dass ihr euch nicht mit dem gedehnten Standbein nach oben drückt. Sondern setzt mit dem zweiten Bein zunächst auf der Stufe auf und nutzt die extra Stabilität.

 

Laafts gscheid!

Moritz

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