Effizientes Hiken: Wichtigkeit für (lange) Trails

Hiken? Hiken!

Vorab: In diesem Beitrag ist Hiken gleichbedeutend mit Gehen. Mit Laufen ist eine Laufbewegung gemeint und dementsprechend nicht das Gehen.

Ran an die Oberschenkel/Stöcke

Viele von euch wissen es. Ich bin kein Freund der langen Rennen. Obwohl. Der Otto-Normal-Verbraucher würde einen Bergmarathon mit 2.000-3.000 Höhenmetern sicherlich als langen Wettbewerb betitelt. Zu Recht.

Wie dem auch sei. Die Kunst des effizienten Hikens ist auch für mich als ‚Mitteldistanzler‘ durchaus sinnvoll zu erlernen. Denn, ob wir nun hiken oder nicht, kommt nicht unbedingt nur auf die Distanz oder unser Fitnesslevel an. Deswege gilt: Wenn ein Hannes Namberger es macht, dann macht es für alle Sinn.

Also keine falsche Scheu und ran an die Oberschenkel. Oder Stöcke. Wie es euch beliebt!

„Und wer hats erfunden?“

Die Schwei.. ääh nein. Eigentlich nicht. Ist auch egal. Wenn man sich einmal die verschiedenen Techniken des Hikens so anschaut, die in der Trailwelt umherirren, fällt schnell auf, dass sich diese Art der Fortbewegung mehrfach neu entwickelt haben muss. Angefangen vom extrem nach vorne gebeugten Stemmschritt mit den Händen auf den Knien, bis hin zu Kilians Moonwalk (siehe UTMB 2018).

Aber wie sollte man es nun machen? Und vor allem wann? Und wo?

Wann Hiken? Entscheidungskriterien

Wie bei jeder anderen Entscheidung im Leben lohnt es sich, die Konsequenzen einer Tat abzuwägen.

Bzgl. der Entscheidung, ob wir in einer bestimmten Situation Hiken oder doch Laufen, lohnen sich zwei Fragen:

  1. Verbrauche ich durch das Hiken weniger Energie?
  2. Verliere ich durch das Hiken an Geschwindigkeit?

Sinnvoll wird der Wechsel insbesondere dann, wenn wir bei gleicher Geschwindigkeit im Vergleich zum Laufen, weniger Energie verbrauchen, oder, wenn wir bei gleichem Energieverbrauch schneller sind als mit der Laufbewegung.

Energieverbrauch beim Hiken

Interessanterweise braucht man bei gleicher Strecke immer dieselbe Energie, egal wie langsam oder schnell man sich fortbewegt. Darüber haben die meisten wahrscheinlich noch nicht nachgedacht. Dementsprechend ist es egal, ob man den UTMB in 20 oder 40 Stunden zurücklegt. Am Ende steht dieselbe Anzahl an verbrauchten Kalorien zu Buche. Das bezieht sich natürlich nur auf den Vergleich bei einer einzelnen Person.

Berechnet man den Verbrauch von verschiedenen Fortbewegungsarten allerdings über einen bestimmten Zeitraum, gibt es Unterschiede. So ist bspw. Gehen energieeffizienter als Laufen, wenn man eine 2km Runde zurücklegt. Der Läufer mag schneller gewesen sein, der Geher hat aber weniger Energie verbraucht um an das Ziel zu kommen.

Gehen vs. Laufen

Was ist der eigentliche Unterschied zwischen Gehen und Laufen? Eigentlich eine simple Sache, die schnell erklärt ist. Der trennende Faktor ist die im Englischen sogenannte vertical oscillation. Auf deutsch nennt sich das vertikale Schwingbewegung, also die Vertikalbewegung nach oben/unten während der Ausführung.

Da überrascht es nicht, dass man beim Gehen deswegen weniger Energie verbraucht. Wir sparen nämlich beim Gehen Kraft, weil wir die Vertikalbewegung auslassen.

Normalerweise bleiben wir im Wettkampf bei der Laufbewegung, weil sie uns schneller ans Ziel bringt. Der Energieverbrauch ist erstmal zweitrangig. Zudem können wir den Verbrauch mit Gels etc. ausgleichen. Im steilen Gelände allerdings, wo man durch das Laufen keinen großen Geschwindigkeitsvorteil mehr hat, kann Gehen bzw. (Power-)Hiken dadurch eine wichtige Energieersparnis bedeuten, die später im Training/Rennen einen Unterschied macht.

Turning Point

Was wir bereits gelernt haben: Egal wie schnell man läuft, man verbraucht immer dieselben Kalorien pro Kilometer. Beim Gehen ist das anders. Hier ist der Verbrauch bei gleicher Geschwindigkeit zunächst unter dem vom Laufen. Doch das ändert sich. Und da wird es interessant!

Dieser Turning Point liegt laut wissenschaftlicher Studien bei 8‘30“/km (ca. 7 km/h). Das ist eine Geschwindigkeit, die wohl die meisten von uns am Berg kennen. Bewegt man sich schneller als dieser Turning Point ist Hiken grundsätzlich ineffizienter und der Verbrauch steigt exponentiell an.

Weitere Faktoren

Überraschung! Selbstverständlich ist der Turning Point nicht bei allen von uns identisch. Denn er ist noch von weiteren Faktoren abhängig.

Dabei spielt vor allem die Körperstatur (Größe und Gewicht) eine große Rolle:

  • Beim Gehen ist dieser Einfluss relativ gering
  • Beim Laufen allerdings hat es einen großen Einfluss

Demnach braucht ein sehr schwerer/großer Läufer beim Laufen fast doppelt soviel Energie wie beim Gehen. Bei solchen Läufern ist Gehen also schon bei schnelleren Tempi als 8‘30“ sinnvoller als Laufen. Bei schmalen, kurzen Läufern verhält es sich gegenteilig.

Neben der Körperstatur hängt der Turning Point ebenfalls vom Fitnesslevel ab. Eine Studie hat gezeigt, dass es bei 30% Steigung sinnvoller ist, zu laufen, wenn mindestens 1.100hm pro Stunde zurückgelegt werden. Das kann natürlich nicht jeder. Die sehr fitten Läufer profitieren also auch noch in einem sehr steilen Gelände vom Laufen.

Das bedeutet: Je fitter, kleiner und dünner wir sind, desto steiler muss es sein, damit sich Hiken lohnt!

Entscheidungsfindung

Die Entscheidung, ob man auf Hiken wechselt oder nicht, sollte also immer anhand von Geschwindigkeit UND Steigung getroffen werden. Dabei muss man sich an seinem eigenen Fitnesslevel sowie der eigenen Körperstatur orientieren.

Als Faustformel gilt außerdem:

  • Bei 30% Steigung lohnt es sich weiterhin zu laufen, wenn mindestens 1.100hm pro Stunde zurückgelegt werden (Tempo von Profis)
  • Bei 700hm pro Stunde (Ultratempo für viele) lohnt sich Gehen ab einer von Steigung von ca. 12%

Im Wettkampf sollte man sich zudem am Renn-Puls orientieren. Kann der Puls beim Gehen im steilen Gelände gehalten werden, lohnt sich bisweilen der Wechsel vom Laufen.

Der Wechsel Hiken – Laufen

Studien haben gezeigt, dass man freiwillig eher spät vom Laufen auf das Gehen oder andersrum wechselt. Das macht grundsätzlich auch Sinn, da man den Rhythmus nicht dauernd verliert.

Ein Wechsel kann auch mal ausgelassen werden, wenn der Umstieg nur für eine sehr kurze Teilstrecke zu erwarten ist (bspw. 50 Höhenmeter am Anstieg). Dann lohnt sich das Durchlaufen, obwohl Gehen vielleicht energetisch gesehen effektiver gewesen wäre.

Die Wechsel zwischen Laufen und Gehen lassen sich übrigens gut auf einem Laufband trainieren. Denn dort können Tempo und Steigung genau vorgegeben werden. Man stellt die Übergangsparameter ein, wo man oft zwischen Laufen und Gehen wechselt, und springt zwischen Gehen (5‘) und Laufen (3‘).

Hiken – Technik

Kleiner Tipp zur Umsetzung: Natürlich lohnt sich eine Haltung, die nach vorne gebeugt ist. Dennoch sollte der Oberkörper dabei möglichst gerade bleiben. Also lieber in der Hüfte abknicken. Dadurch verschafft ihr eurer Lunge mehr Platz, was euch logischerweise mehr Sauerstoff bringt. Leichter wird das übrigens durch den Einsatz von Stöcken.

Noch mehr Infos

Für alle in diesem Blog erwähnten Studien könnt ihr euch in der ‚Trainerstunde‘ auf Michael Arend‘s Youtube Channel weitere Informationen holen. Schaut euch einfach den gleichnamigen Beitrag der letzten Woche an.

Beim Traillaufen lernt man nie aus! Viele Spaß beim Übergangstraining. 😉

 

Laafts gscheid!

Moritz

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