Etappenlauf – Urlaub oder doch ein Rennen?

Was macht einen Etappenlauf so besonders?

„Was macht einen Etappenlauf nicht besonders?“

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So müsste die Frage eigentlich lauten! Denn ein Etappenlauf ist im Vergleich zu Eintagesrennen so unterschiedlich wie Straßen- und Trailläufe.

DER Etappenlauf – der Transalpine Run (TAR)

Insbesondere ein Etappenlauf hat mir persönlich die Tür zu den Bergen geöffnet, mich die volle Wucht spüren lassen und mich nie wieder losgelassen. Der Transalpine Run (TAR)!

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Etappenlauf: Urlaub oder Rennen?

Eigentlich ist diese Frage schnell beantwortet. Denn ein Rennen wird immer nur so hart wie wir es selbst zulassen!

Es kommt also darauf an, ob wir bspw. in der Spitze um die Podiumsplätze mitlaufen bzw. unser eigenes Limit ausloten. Oder ob wir mit der Erfahrung an sich zufrieden sind, möglichst viel der Strecke erleben und spüren möchten.

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Etappenlauf Party

Diejenigen, die weiter hinten im Feld ihr eigenes Ding machen, haben sicherlich die Wahl zwischen Party oder Power. Wobei ich durchaus den meisten von euch zur Party raten würde. Denn bei nicht wenigen Rennen sind die Cut-Off-Zeiten so entspannt gesetzt, dass man sie durchaus kontrolliert einhalten kann, wenn man nur die Downhills sowie die Flachpassagen locker läuft. Im Uphill wird dann lässig gepowerhikt und die Verpflegungsstationen nach aller Lust und Laune genossen. Kriegt man das hin, stellt sich sicherlich bei gutem Wetter ein Urlaubsgefühl ein!

Etappenlauf im Race Modus

Bei den Ambitionierten kann das anders laufen. Rennen am Limit für mehrere Tage am Stück verlangt jedem viel ab. Dann ist Regeneration besonders wichtig und man verschwindet eher für einen Mittagsschlaf ins Hotelzimmer, lässt die tägliche Pastaparty zwecks spezieller Ernährung aus und verpasst somit auch viel vom spannenden Miteinander!

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In den Etappenlauf abtauchen

Für mich macht vor allem die extreme Läufer-Bubble ein Etappenrennen aus. Für die Dauer des Wettkampfes verschwindet man nahezu komplett im Moment und beschäftigt sich mit nichts anderem. Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich bei meiner ersten Transalpine Run Teilnahme (2012) die gesamte Woche an nichts anderes als den TAR gedacht habe. Und ich meine das positiv. Das Laufen, der Austausch, das Essen, der Schlaf. All das nimmt einen immens ein und lässt die Zeit verfliegen!

Run. Eat. Sleep. Repeat.

In dieser kleinen aber feinen Läuferwelt ist der Austausch mit den anderen Teilnehmern besonders. Wer auch nur ansatzweise kontaktfreudig ist, lernt hier viele neue Gesichter kennen, teilt Meinungen, stößt im Ziel an, lacht, motiviert sich gegenseitig. Auch ein bisschen Jammern darf sein. Alle erleiden Dasselbe!

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So stellt sich über die Tage eine Art Gemeinschaftsgefühl ein. Man sieht immer wieder dieselben Menschen, trifft sich im Zielbereich oder bei der Pastaparty inkl. Siegerehrung in kleinen Gruppen. Die Gesprächsthemen gehen dabei sicher nicht aus. Und was gibt es Schöneres nach einem Wettkampf, als sich auszutauschen?! Erfahrungen sind nur halb so viel wert, wenn man sie nicht teilen bzw. davon erzählen kann.

Über die Tage hinweg durchquert man bei den meisten Etappenläufen ein bestimmtes Gebiet. Selten sind es wahllos zusammengewürfelte Einzeletappen. Beim Transalpine Run führt einen die Route bspw. wie an einem Faden durch mehrere Länder. Der Zielort vom letzten Tag wird zum Start des Folgetages. So Erläuft man sich praktisch eine ganze Region und lernt diese dadurch viel besser kennen als bei einem Eintagesrennen. Ich kann mich erinnern, dass ich nach meiner ersten Transalpine-Teilnahme das erste Mal das Gefühl hatte, die Alpen wirklich zu verstehen. Das Durchlaufen der gesamten Bergkette macht so eine gewaltige Landschaft ein wenig greifbarer. Vergleichbar ist das eventuell mit einer mehrtägigen Hüttentour beim Wandern.

Und nicht zu vergessen: Am Ende eines jeden Etappenrennens darf natürlich die Abschlussparty nicht fehlen. Im nun (nahezu) Post-Corona Zeitalter wird dies auch wieder möglich sein. Hier wird sich gegenseitig auf die Schulter geklopft, der eigene Triumph bestaunt, und nicht selten auch der Plan fürs kommende Jahr geschmiedet, wiederzukommen.

Besonderheiten eines Etappenlaufs

Was mir als wirklich besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Entwicklung, die ich als Läufer innerhalb von einer Woche gemacht habe. Ist man bspw. ganze sieben Tage unterwegs, passiert so viel:

  • Tag 1 – Riesen Vorfreude. Es läuft meist gut.
  • Tag 2 – Die Beine sind schwer von Tag 1. Der Genuss ist ungebrochen.
  • Tag 3 – Die Hölle bricht aus und die Beine spüren den Muskelkater von Tag 1. Man kommt mit der Kalorienzufuhr kaum noch hinterher.
  • Tag 4 – Der Körper weiß nicht so wirklich, was er machen soll. Aber irgendwie funktioniert es.
  • Tag 5 – Der Körper hat verstanden, dass er weiter Leistung bringen muss und beschwert sich nur noch mittelmäßig. Wenn man von Verletzungen verschont bleibt, kann man nun in den Flow kommen.
  • Tag 6 – Die Vorfreude auf das große Ziel steigt. Der Tag verfliegt trotz extrem schwerer Beine.
  • Tag 7 – Das nahende Ziel lässt alle Probleme und Schmerzen vergessen. Im Ziel wird gefeiert!

Dazu kommt eine sehr spezielle Atmosphäre im Zielraum. Im Gegensatz zu einem Eintagesrennen sieht man jeden Tag erneut dieselben Gesichter und tauscht sich aus. Es fühlt sich schon am zweiten Tag sehr vertraut an und macht Lust auf mehr. Die Tatsache, dass jeden Tag in einem anderen Ort übernachtet wird, macht es noch spezieller.

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Herausforderungen eines Etappenlaufs

Neben den schönen Aspekten gibt es natürlich auch die schweren Seiten zu beachten!

Auch wenn einem die Mühen wie Kochen, Streckenplanung etc. abgenommen werden, ist ein mehrtägiger Etappenlauf eine immens große Belastung. Die schnellen Läufer belasten sich durch Intensität, die langsameren durch Dauer. Ohne eine ordentliche Vorbereitung ist es also ein Wagnis und Verletzungen sind nahezu vorprogrammiert.

Über die Woche hinweg, muss man zudem darauf achten, genug Reserven zu haben. Ansonsten ist der Traum schnell vorbei. Genug Schlaf und ausreichend Kalorien sind dabei immens wichtig! Dabei gilt: Wer wirklich jeden Tag erneut mit Power loslaufen möchte, darf sich selbstverständlich nicht jeden Abend 3-5 Weißbier ‚reinstellen‘.

Die Erholung zwischen den Tagen ist also für alle zu beachten. Dabei brauche ich eigentlich nicht zu erwähnen, dass Diejenigen, die länger unterwegs sind, auch weniger Zeit für Ruhe kriegen. Versucht dennoch, kleine Wehwehchen direkt behandeln zu lassen. Nehmt ein Bad, taped das Knie, klebt Blasen ab und legt doppelt Vaseline auf.

Besonders speziell sind Etappenläufe mit Partner, bspw. der Transalpine Run. Die Partner müssen dauerhaft zusammenlaufen und dürfen sich maximal für wenige Hundert Meter trennen. Dabei werden Freundschaften und Beziehungen auf die Probe gestellt und sind in der Vergangenheit schon nicht selten in die Brüche gegangen (wenn meist auch nur vorübergehend). Bei der Partnerwahl sollten also Charakter, Einstellung und Zielsetzung genauso relevant sein wie die Fitness! Ganz wichtig: Es gibt IMMER einen schlechteren Läufer im Team. Man muss sich demnach von Anfang an darauf einstellen, dass einer am absoluten Limit läuft, der andere chronisch unterfordert ist. Zumindest, wenn man die Strecke schnellstmöglich bewältigen will. Darüber sollte man vorab sprechen!

Welche Etappenläufe gibt es?

Um eine Aussagekräftige Liste zu haben, müsste man sie alle zwei Wochen aktualisieren. Denn so schnell wie neue Rennen entstehen und alte verschwinden, kommt man kaum hinterher. Dabei sind allerdings die wenigsten länger als eine Woche. Meist läuft man entweder 3-4 oder 7 Tage.

Der wohl prestige-trächtigste im Alpenraum dürfte der Transalpine Run sein. Eine Institution von PlanB für dessen Qualität ich mich als mehrmaliger Teilnehmer verbürge. Ebenfalls von PlanB organisiert, fallen einem schnell die 4Trails ein. Sicherlich für Newcomer von Etappenläufen eine schlaue Einsteigermöglichkeit.

Ebenfalls in Europa beheimatet sind zudem der Pyrenees Stage Run sowie die Tour de Tirol (3 Tage inkl. Straßenlauf am 1. Tag).

Auf meiner Liste von mitgelaufenen Etappenrennen steht auch der Transrockies Run in Nordamerika. Wer die Möglichkeit hat, diesen Lauf zu machen, sollte nicht lange zögern. Das typisch amerikanische Flair bei Trailrennen ist mit dem unseren nicht zu vergleichen.

In Afrika lohnt es sich, einen Blick auf den natürlich bekannten Marathon des Sables (Achtung: extrem anspruchsvoll. Nicht nur wegen des Sandes) sowie den UTAT in Marokko (2 Tage) zu werfen.

Auf Costa Rica lockt die Coastal Challenge.

Sich der Besonderheit bewusst sein!

Bei aller Zielsetzung und Motivation sollte man bei einem Etappenlauf nie vergessen, die Woche in sich aufzusaugen. Mein erster Wettkampf auf Trails war der Transalpine Run (dumm, ich weiß..) und ich werde ihn nie vergessen! Das Miteinander, der Austausch und auch das Lernen von Anderen kann unglaublich motivierend sein. Ich zehre noch heute davon!

Laafts gscheid!

Moritz

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