Verletzt – Formverlust durch Alternativtraining vermeiden

Das (nahezu) unumstößliche Gesetz

Läufer läuft. Radler radelt. Schwimmer schwimmt.

Nicht zuletzt deswegen haben sich Trainingswissenschaftler über Jahrzehnte hinweg viel zu wenig Gedanken darüber gemacht, welches Alternativtraining wirklich sinnvoll ist. Um zu regenerieren, Verletzungen vorzubeugen oder diese zu aktiv zu kurieren. „Radeln und Schwimmen!“ war die schnelle Antwort. „Das wird schon helfen.“. Ein Allheilmittel als Zweifaltigkeit, welches längst überholt scheint.

FahrradAlternativtraining: Fahrrad und Schwimmen als (mögliche) Falle

Doch nicht jeder Athlet kommt bei jeder Art von Verletzung mit Fahrrad fahren und Schwimmen als Alternative zurecht.

So schonend diese Sportarten in Betracht auf Stoßbelastungen auch sein mögen. Sehnen, Bänder etc. werden dabei ebenfalls beansprucht und geben teils bei leichten Belastungen Symptome ab.

Nehmen wir mich als perfektes Beispiel:

Meine langanhaltenden Knieprobleme, die von einer chronischen Verspannung des Piriformis‘ herrühren, lassen sich auf dem Rad weiß Gott nicht umgehen. Sie werden teils sogar schlimmer. Selbst Schwimmen hat mir anfangs Tränen in die Augen getrieben. Das Abstoßen vom Beckenrand war eine Qual. So kam ich, nach langer Suche, zum Skimo (Uphill gehen mit Fellen unter den Skiern).

Alternativtraining: Den Einzelfall betrachten

Darum lohnt sich also ein detaillierter Blick auf den Einzelfall. Nur wenn wir genau wissen, wodurch unser Leiden konkret getriggert wird, können wir die Problematik umgehen.

Noch einmal zurück zu meinem Beispiel:

Die Schmerzen, die ich während der Sportausübung lange und intensiv gespürt habe, waren allesamt im Bereich des Knies. Das legt den Schluss nahe, das Knie zu schonen. Ergo: weniger Stoßbelastung! In meinem Fall hat das aber absolut nicht funktioniert. Der Trigger der Knieschmerzen war wie bereits erwähnt ein verspannter Muskel im Gesäß. Die Verspannung wiederum kam von einem leichten Einknicken des Fußgewölbes und einem damit einhergehenden Krallen der Zehen. Die richtige Analyse lautet: Einknicken des Fußes verhindern! Mit einer Pronationsstütze war dies in meinem Fall leider nicht erledigt. Lösung #1: Skitouren, da man in einem Skitouren-Schuh extrem feststeht und nicht einknickt. Lösung #2: Laufschuhe mit Carbonplatte, die ebenfalls ein Einknicken verhindert. Von heute auf Morgen war ich fast schmerzfrei unterwegs. Ein „Wunder“ (der Analyse).

Wie ihr seht, kann ein sinnvolles Alternativtraining ausnahmslos von einer genauen Analyse der Problematik abgeleitet werden und sollte in keinem Fall pauschal verschrieben werden. Empfiehlt euch ein „Experte“ Fahrrad fahren, ohne euch vorher genau untersucht zu haben, solltet ihr der Aussage absolut keine Beachtung schenken.

Alternativtraining: die Gefahren

Die Gefahr der Routine

Habt ihr eine Routine für euch im Alternativtraining gefunden, ist dies durchaus sehr hilfreich um Fortschritte festzustellen.

Werdet aber bitte nicht faul und variiert innerhalb der von euch ausgeloteten Bereiche. Denn nichts verlangsamt einen Anpassungsprozess mehr, als dauerhaft dieselben Übungen durchzuführen. Das gilt für gesunde Sportler im Intervalltraining genauso wie für Sportler in der Reha-Phase.

Habt ihr also festgestellt, dass bspw. Kraftübungen für die Hamstrings eurer Problematik entgegenwirken und zudem keine schmerzende Belastung darstellen, solltet ihr alle 2-3 Wochen spätestens die Details variieren. Das kann eine Anpassung der Geschwindigkeit, des Gewichts, der Pausen oder der Zwischenübungen sein. All das fordert dem Körper neue Anpassungsprozesse ab. Und genau diese machen euch gesund und später noch fitter.

Die Gefahr der Angst

Es gibt leider auch Verletzungen, nach denen ihr bei allen Optionen des Alternativtrainings Schmerzen spürt und wo komplettes Pausieren nicht hilft. In dem Fall ist leider ein leichtes Überschreiten der Schmerzgrenze am Anfang ein Muss. Dies sollte immer von einem Physio/Arzt begleitet werden. Zudem muss eine kontinuierliche Verbesserung des Schmerzempfindens beobachtbar sein. Nur dann ist dieser Weg vertretbar.

Viele Leidensgenossen schrecken außerdem davor zurück, nach einer Verletzung länger zu pausieren, da zunächst bspw. nur ein Bein belastet werden kann. Neueste Studien (https://sweatscience.com/training-one-limb-to-strengthen-the-other/ & https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32897568/) haben allerdings ergeben, dass auch eine einseitige Belastung in der Reha-Phase absolut sinnvoll sein kann und dem Körper mehr hilft als schadet. Der Nachteil der evtl. steigenden Disbalance zwischen beiden Seiten ist geringer einzuschätzen als die Vorteile des Trainings im Allgemeinen.

Mögliche Sportarten

Auch wenn ich euch keine Pauschalratschläge geben kann, so gibt es durchaus eine Liste an Sportarten, die als mögliche Alternativen Sinn machen. Meiner Meinung nach lohnt grundsätzlich eine Einteilung in Sommer/Winter sowie Flachland/Berge.

Sommer (Flachland und Berge):

  • Skiroller
    • Wunderbare Alternative zum Laufen und grundsätzlich überall ausführbar (sogar im Gelände)
  • Fahrrad
    • Der Umfang muss im Vergleich zum Laufen deutlich höher sein
  • Schwimmen/Aquajogging
    • Nur für Fitnesserhaltung hilfreich, nicht zum Aufbau. Leider sehr lauf-unspezifisch
  • Rudern (outdoor)
    • Ein starker Reiz für den gesamten Körper

Winter (Flachland):

  • Skiroller
  • Fahrrad
  • Schwimmen/Aquajogging
  • Rudern (indoor)

Winter (Berge):

  • Skimountaineering
    • Sowohl was die Länge der Einheiten als auch die Pulsbereiche angeht die beste Alternative zum Laufen
  • Skilanglauf
    • Klassisch: lauf-typischer und trainiert speziell die nötige Muskulatur
    • Skating: dynamischer als klassisch und kann von den meisten Sportlern besser für Cardio genutzt werden

Dazu kommt selbstverständlich in grundsätzlich jedem Verletzungsszenario das Krafttraining, welches ebenfalls individuell gestaltet werden muss. Hier ist eine passgenaue Trainingsspezifizierung noch wichtiger als beim Ausdauertraining, da nur mit Krafttraining muskuläre Disbalancen und chronische Verkrampfungen etc. gelöst werden können.

Anpassungszeit beachten

Kommt ihr aus einer Phase der extrem hohen Fitness im Laufsport, solltet ihr in einer Verletzungsphase bzgl. des Umfangs bei alternativen Sportarten aufpassen.

Nur, weil ihr 15h pro Woche laufen konntet, bedeutet dies nicht, dass ihr es auch auf Skiern könnt. Ich hatte bspw. mit einer Art Tennisarm vom Stockeinsatz zu kämpfen. Kein Wunder. Ich hatte knapp ein Jahr nicht mehr auf Skiern gestanden und ging nahezu von 0 auf 100. Lesson learned.

Alternativtraining: Der Spaßfaktor

Eine weitere Herausforderung ist der Spaßfaktor. Nicht wenige können sich nur ausnahmslos aufs Laufen freuen. Der reine Gedanke an stundenlange Radfahrten oder Aquajogging-Einheiten neben Rentnerinnen lässt Magengeschwüre wachsen.

Da lohnt es sich, ein klares Ziel zu haben, dieses zu verbalisieren und zu verschriftlichen. Werdet ihr jeden Tag (bspw. durch einen Zettel am Kühlschrank) daran erinnert, fällt es deutlich leichter, sich aufzuraffen.

Gutes Equipment hilft ebenfalls. Die Meisten werden mir Recht geben, dass eine 100km-Radtour mit einem ordentlichen Rennrad mehr Spaß bringt, als mit einem alten Mountainbike.

Zum Mitnehmen!

Ach ja, Alternativtraining macht übrigens nicht nur bei Verletzungen Sinn. Über das Fahrradfahren lassen sich bspw. sehr hohe Umfänge trainieren (auch intensiv), ohne die körperliche Struktur im Allgemeinen zu sehr zu belasten! So lässt sich das Verletzungsrisiko bei Leistungssportlern extrem verringern. Das Laufen darf dabei natürlich nie vernachlässigt werden. Denn: Wer Läufer sein will, muss nun mal laufen.

Die Maxime sollte sein: Komplementieren, nicht substituieren!!!

Laafts gscheid!

Moritz

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