Viel hilft viel? Übertraining erkennen

Das ungewollte Ergebnis: Übertraining

Es ist nun mal so: stärker werden wir, wenn wir trainieren. Ebenso wichtig allerdings, und da werden mir hoffentlich die meisten von euch Recht geben, ist das gezielte Einbauen von schlauen Ruhephasen (siehe Artikel zur Regeneration).

Ansonsten geben wir unserem Körper nicht genügend Zeit zur Erholung. Dieser wiederum wird seine Strukturen nicht dem steigenden Anspruch anpassen und baut sogar im Gegensatz dazu (Leistung) ab.

Das ungewollte Ergebnis: Übertraining

Übertraining – Definition

Als Übertraining verstehen wir demnach den Zustand, indem unser Körper sich dauerhaft (mindestens über Wochen hinweg) nicht mehr ausreichend erholen kann und, das ist der wichtige Unterschied zur reinen Müdigkeit, an Leistung verliert, obwohl wir mehr und härter trainieren als zuvor. Wir gehen also über einen längeren Zeitraum bzgl. der Intensität und/oder des Umfangs deutlich über unser persönliches Limit. Und diese Überstrapazierung steht in einem dysbalancierten Verhältnis zur Erholung.

Meist eine fließende Entwicklung

Einfach nur müde sein ist also nicht gleich Übertraining. Auch drei oder vier Tage bei niedrigem Motivations- oder Energielevel stellen absolut kein Problem dar. Chronische Müdigkeit bei Ausdauerathleten in einer umfangreichen Trainingsphase ist sogar normal, solange die Leistung parallel erkennbar steigt. Das ist ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor!

Ein Übertraining kann dabei schleichend aus dem hohen Trainingsanspruch heraus erwachsen. Über Wochen hinweg nimmt der Faktor Müdigkeit kontinuierlich zu und kann genau deswegen auch besonders lange erfolgreich ignoriert werden. Dabei ist es oft schwer, den Unterschied zwischen adäquater Müdigkeit und Übertraining klar zu erkennen. Meist verpasst man den Moment, ab dem die Leistungsfähigkeit abnimmt und sich unser Training negativ auswirkt. Zum einen schieben wir es nicht selten auf das tägliche Auf-und-Ab,

zum anderen sind wir extrem geübt darin, Probleme, Schmerzen und Müdigkeit zu ignorieren und den Körper weiter zu fordern.

Alltags-/Trainingsweltmeister

Auch ich habe schon Erfahrung mit Übertraining gemacht. Zum Glück nur in einer relativ leichten Form, die ich bereits nach zwei bis drei Wochen abschütteln konnte. Mein Training lief gut, Wettkämpfe erfolgreich. Ich traute mir mehr und mehr zu, ging immer weiter an mein Limit und darüber hinaus. Als ich mich schließlich kaum noch motivieren konnte, einzukaufen oder den Abwasch zu machen, wusste ich, dass etwas grundsätzlich schief lief.

Das Zauberwort ist Trainingsweltmeister. Und jeder kennt sie, diese Maschinen, die jeden Tag stundenweise Ausdauertraining abspulen, anschließend in den Kraftraum gehen und nebenbei noch einen Vollzeitjob und Familie managen. Interessanter Weise sind sie oft nicht die Besten. Und das durchaus mit Grund.

Denn Masse ist nicht gleich Klasse. Wir alle haben ein Limit an Stimuli, das uns persönlich weiterbringt und besser macht. So können gezielt trainierte 80 KM/Woche deutlich effektiver sein, als 150 KM im dauerhaft gleichen Tempo. Ich bin aktuell das beste Beispiel dafür. In den vergangenen vier Wochen habe ich im Schnitt 55 KM Lauftraining absolviert, davor gar keins, und befinde mich bereits wieder in Topform. Dazu kommen Alltagseinflüsse, die uns über das ertragbare Limit hinausschießen lassen. Der Vollzeitjob macht allein die Trainingsplanung zur logistischen Meisterleistung. Nicht selten kommt dabei der Spaß zu kurz.

Der Unterschied zwischen Amateur-/ und Profisportlern ist deshalb nicht unbedingt der extrem erhöhte Trainingsumfang. Es ist eher die Möglichkeit, sich zwischen den Einheiten perfekt zu erholen. Allein der Mittagsschlaf kann extrem die Regeneration verbessern. Freizeitsportler haben also durchaus eine ähnlich hohe Chance, an Übertraining zu „erkranken“ wie Profis, da sie noch mehr Stressoren ertragen müssen.

Zum Glück gibt es Warnsignale, auf die wir achten können!

Warnsignale

Grundsätzlich lohnt es sich, auf folgende Warnsignale zu achten:

  • Antriebslosigkeit
    • Bei alltäglichen Sachen wie Geschirr spülen
  • Reizbarkeit
    • Wenn euch Kleinigkeiten bereits aus der Fasson bringen
  • Müdigkeit
    • Im Alltag trotz viel Schlaf (den meisten reichen 7-9h pro Nacht)
  • Schlafstörungen
    • man wacht oft auf bzw. hat einen extrem erhöhten Schlafbedarf
  • Niedrige Eisenwerte
    • Lasst 2x pro Jahr eure Blutwerte checken (bspw. auf Blutarmut)
  • Erhöhter Ruhepuls
    • Nach dem Aufstehen bzw. höhere Pulswerte bei vergleichbaren Läufen
  • Veränderter Hunger/Appetit
    • Appetit bleibt aus, man nimmt ab
  • Leistungsabfall
    • Vergleich von Zeiten auf einer identischen Strecke vor der Haustür
  • Muskelkater
    • Länger andauernd als sonst und auffällige Schmerzen in Muskeln, Sehnen etc.
  • Ausfall der Regel
    • Ein besonderer Faktor bei Frauen

Vorbeugung von Übertraining

Teils können auch nicht lauf-spezifische Faktoren das Bild eines Übertrainings entstehen lassen. Wenn wir z.B. zu wenig Kalorien zu uns nehmen oder chronisch dehydriert sind. Diese Problemchen lassen sich natürlich denkbar leicht beheben.

Des Weiteren gibt es folgende Möglichkeiten, dem Übertraining schlau vorzubeugen:

  • Training mit Ruhephasen strukturieren
    • Erholung nach Wettkämpfen
    • Makro- & Mikroperiodisierung (bspw. 3 Wochen Belastung, 1 Woche Ruhe)
  • Umfang immer sinnvoll steigern
    • Gilt für Distanz sowie für Höhenmeter
    • Maximal 20% (das gilt für sehr erfahrene Läufer) kumulierte Steigerung von einer auf die nächste Woche (100km->110km/2.000hm->2.200hm ODER 100km->100km/2.000hm->2.400hm)
  • Bestmögliche Regeneration
    • Ausreichend Schlaf
    • Gutes und genügend Essen
  • Ideales Trainingspensum
    • weniger bzw. weniger intensives, aber dafür gezielteres Training

Übertraining entgegenwirken

Sollte man doch einmal in die Falle getappt sein und sich mitten im Übertraining befinden, reicht meist ein verminderter und weniger intensiver Trainingsumfang zur kontinuierlichen Erholung (über zwei bis drei Wochen hinweg nur zwei kurze und lockere Läufe pro Woche).

Befindet man sich allerdings bereits tief im Übertraining, hilft leider oft nur eine radikale Pause von mehreren Wochen sowie eine ärztliche Begleitung. Lasst es also nicht so weit kommen!

Laafts gscheid!

Moritz

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