Ermüdung erkennen & verstehen – Teil I (muskuläre Ermüdung)

Ermüdung

Wir werden oft müde. Sehr oft sogar. Und es gibt zahlreiche Gründe dafür.

  • starke Konzentration über einen langen Zeitraum
  • zu wenig Schlaf
  • körperliche Anstrengung
  • klassisches Laufen

Entscheidend sind immer Umfang und Intensität.

Interessanter Weise gibt uns Ermüdung oft auch ein angenehmes Gefühl. Wir fühlen uns stolz, wenn wir etwas geleistet haben. Insbesondere dann können wir eine Ermüdung sogar genießen. Erinnert euch nur an das letzte Mal, als ihr völlig entkräftet aber auch unglaublich zufrieden eine Ziellinie überquert habt, sich die Beine kaum noch bewegen ließen, das Hirn noch nicht einmal mehr 2 und 2 zusammenzählen konnte, ihr aber glücklich wart wie selten zuvor.

Aber was ist Ermüdung überhaupt?

Der Begriff Ermüdung beschreibt grundsätzlich eine Abnahme von Leistung. Er stellt also eine Entwicklung dar, die uns als Sportler zunächst nicht gefällt. Das Schöne daran ist allerdings, dass sie reversibel und trainierbar ist. Wir können also lernen, Ermüdung besser zu ertragen bzw. zu umgehen, und nach einer harten Belastung zu alter Form zurückzufinden.

Die Vielschichtigkeit wiederum, die sich hinter dem Begriff verbirgt, ist kompliziert und nicht jedem klar. Müde ist nicht gleich müde. Ganz und gar nicht.

Psychologische vs. physiologische Ermüdung

Grundsätzliche unterscheiden wir zwischen zwei Bereichen, welche beide für Läufer eine wichtige Rolle spielen:

  • Psychologische Ermüdung
  • Physiologische Ermüdung

Die psychologische oder auch neuromuskuläre Ermüdung kommt vom zentralen Nervensystem und bezieht eine mentale Ermüdung mit ein. Das Gehirn spielt bei der Muskelermüdung nämlich eine immens wichtige Rolle (ähnlich wie bei klassischen Schmerzen). Das bedeutet: Unser Hirn ist praktisch immer der entscheidende Faktor, wenn der Rest vom Körper theoretisch noch Leistung erbringen könnte. Man sollte dies als eine Art Schutzfunktion verstehen, bevor der Körper beginnt, degenerativ zu arbeiten, sich also selbst zu schaden.

Doch heute soll es zunächst um die physiologische Ermüdung gehen. Hierbei grenzen wir die zentrale Ermüdung (Nervensystem) ab und konzentrieren uns auf die lokale Ermüdung (Muskel).

Physiologische Ermüdung

Diese Art der Ermüdung beschreibt den Leistungsabfall innerhalb unserer Muskulatur. Es finden also lokale Prozesse innerhalb des Muskels statt, die weitere Kontraktionen abschwächen bzw. unterbinden. Der Grund dafür ist eine Abänderung von physiologischen Gleichgewichten (Homöostase).

Ein anaerober Sauerstoffmangel kann bspw. eine solche Störung hervorrufen. Aber auch aerobe Faktoren spielen eine Rolle. Nachdem zunächst Glykogen beim Sport verbraucht wird, nutzen wir bekannter Weise anschließend auch Fette zur Energiebereitstellung. Bei individuell unterschiedlichen Belastungen kann unser Körper allerdings nach einer bestimmten Zeit keine Energie mehr bereitstellen bzw. nutzen. Dann verlassen uns entweder die Kräfte oder es gibt eine klassische Übersäuerung, wenn Laktat aufgebaut wird. Die aerob/anaerobe Schwelle, auch als Steady State bekannt, bei der wir noch ökonomisch laufen können und nicht in Sauerstoffschuld geraten, liegt bei 4 mmol/l Laktat. Danach übersäuern wir und um es kurz zu fassen: Leistung kann nicht weiter im gleichen Maße erbracht werden.

Interessanter Weise ist die muskuläre Ermüdung nur bei Belastungen von bis zu 3 Minuten alleine verantwortlich. Danach ist das zentrale Nervensystem der entscheidende Faktor! Wenn ihr also keine 800m-Läufer seid, sollte euch eher das Hirn interessieren, als der Quadriceps-Muskel. 😉

Die Konsequenzen

Dummer Weise hat Ermüdung Konsequenzen. Ansonsten bräuchten wir uns damit nicht so intensiv beschäftigen. Die Symptome, die dabei auftreten, sind vielfältig und können auf verschiedene Art und Weise kategorisiert werden. Ich persönlich bevorzuge die Einstufung von objektiven sowie subjektiven Symptomen, die wir bei Ermüdung erfahren. Diese enthalten sowohl physiologische als auch psychologische Bereiche.

Objektive Symptome:

  • Spannungsabnahme in der Muskulatur
  • Nachlassende Muskelkraft
  • Verminderte Reflexe
  • Muskelzittern
  • Koordinationsstörungen
  • Laktatanstieg
  • Krämpfe (neuronal)

Subjektive Symptome:

  • Schmerzen in den Beinen
  • Wir bleiben gefühlt stehen
  • Wir können nicht klar denken

Interessant sind in der Trainingswissenschaft insbesondere die objektiven Symptome, da wir diese beobachten und messen können. Dadurch, dass wir eine Zahl mit dem Symptom in Verbindung bringen können, lassen sich Veränderungen besser beobachten, analysieren und verbessern.

Was können wir dagegen tun?

Die genauesten Beobachtungen und Zahlen bringen uns allerdings nicht weiter, wenn wir diese nicht nutzen können. Und genau deswegen trainieren wir. Mittels regelmäßigem Lauftraining lassen sich verschiedene Parameter anpassen, die Einfluss auf unsere Ermüdung haben.

So können wir bspw. einen Leistungsabfall im Wettkampf nach hinten verschieben, indem wir Sprints in unser Training einbauen und somit unsere fast-twitch Muskelfasern stärken. Außerdem können wir mittels gezieltem Downhill-Training unsere exzentrische Muskelarbeit verbessern und somit einer schnellen Ermüdung beim bergablaufen vorbeugen. Dazu kommen Tricks wie das Lauf-ABC, welches unsere Muskelspannung erhöht und optimalere Koordination verspricht.

Somit bauen wir im Training eine Art Toleranz bestimmten Symptomen ggü. auf, wodurch insbesondere die muskuläre Ermüdung im bestimmten Maße verhindert wird.

Ermüdung ist also planbar!

Eine magische Formel

Bei der Planung kann uns die Riegel-Formel helfen:

T2=T1×(D2÷D1)k

T1 steht für die bereits gelaufene Zeit über Distanz D1. T2 ist die Zeit, die nun ermittelt wird und die Dauer prognostiziert, welche für Distanz D2 wahrscheinlich benötigt wird. K beschreibt den Ermüdungsfaktor.

Denn logischerweise können wir über 10 KM ein deutlich schnelleres Tempo laufen als über die Marathondistanz.

Mittels der Riegel-Formel wird Ermüdung also ausrechenbar. Und das auf eine genaue Art und Weise.

Distanzen von bis zu 100 KM lassen sich somit erstaunlich gut vorhersagen, wenn individuelle Leistungen über kürzere oder auch längere Distanzen bekannt sind.

Wichtig ist, dass Ermüdung ein durchaus individuelles Thema ist. So kann der Ermüdungsfaktor k bei Person A etwas anders ausfallen als bei Person B. Wundert euch also nicht, wenn ihr online Quellen mit 1.06 oder auch 1.07 für k findet.

Ein Beispiel:

Bis vor kurzem lagen die 5.000m und 10.000m Weltrekorde der Männer bei 12:37:35 sowie 26:17:53.

Laut der Riegel-Formel (mit k = 1.06) würde die 5.000m-Zeit hochgerechnet eine 26:19:31 prognostizieren. Wir haben also eine Abweichung von gerade einmal 1,38 Sekunden. Das entspricht

Ausblick

Neben der heute angesprochenen physiologischen Ermüdung gibt es die ebenfalls erwähnte psychologische Ermüdung. Dazu bald mehr. Denn nichts hat mehr Einfluss auf unsere Leistung, als unser Gehirn!!!

Laafts gscheid!

Moritz

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