Mentaltraining -2-

Warum mentale Stärke für deinen sportlichen Erfolg und das Erreichen deiner Ziele ebenso wichtig ist, wie eine gute physiologische Leistungsfähigkeit, haben wir dir im 1. Teil „Mentaltraining“ erläutert. Wie kannst du dies nun aber praktisch in dein Training und deine Wettkampfvorbereitung einbauen? Schauen wir uns dazu zunächst die Definition von Training an:

Sportliches Training ist […] ein komplexer Handlungsprozess mit dem Ziel der planmäßigen und sachorientierten Entwicklung der sportlichen Leistungsfähigkeit, sowie der Fähigkeit zur optimalen Leistungspräsentation im Wettkampf.“[1]

Zu Beginn sollte also immer ein Ziel stehen, das du mithilfe des Trainings erreichen möchtest. Mache dir bewusst, was du hierfür können musst, was auf dich zukommt und was die Ansprüche sind. Wie auch dein körperliches Training, muss Mentaltraining geplant und regelmäßig durchgeführt werden, damit es wirkt und du besser wirst. Wenn du in der Vorbereitung z.B. nur ein einziges Intervalltraining in 3 Monaten durchführst, ist dies besser als nichts. Zu einem besseren und leistungsfähigeren Läufer wird es dich allerdings nicht machen, da es nur einen sehr kleinen bis gar keinen Einfluss auf deine Ausdauer hat. Mit mentalem Training verhält es sich genauso.

Im Folgenden stellen wir dir verschiedene Techniken und Methoden vor, die du in dein Training und deine Wettkampfvorbereitung einbauen kannst.

 

Zielsetzung

Wie bereits erwähnt, steht am Anfang jeder Trainingsplanung ein Ziel, das du erreicht möchtest. Viele Läufer machen hier jedoch den ersten Fehler, da sie dieses nicht spezifisch genug formulieren. Erfolgreiche Sportler hingegen definieren Ihre Ziele ganz genau und wenden somit eine sehr wichtige mentale Strategie an. Sie orientieren sich sowohl an der Situation, als auch dem eigenen Können.[2] Teile deine Ziele je nach Priorität in A-, B- und C-Ziele ein. Wenn du während eines Wettkampfes z.B. merkst, dass du deine Wunschzeit (A-Ziel) nicht mehr erreichen kannst, dein B-Ziel aber darin besteht, den Lauf zu finishen, kann dir dies mental enorm helfen, nicht vorzeitig auszusteigen.

Als Hilfe kann dir die sogenannte SMART-Formel dienen. Ungenaue „Ungefähr-Vorhaben“ werden so als spezifische Ziele formuliert, die messbar, für dich attraktiv, realistisch und terminiert sind[3].

Wenn du dann in der Vorbereitung oder im Wettkampf Motivationsprobleme und Zweifel bekommst, dich vielleicht sogar in einem mentalen Tief wiederfindest, kann dich die Erinnerung an dein Ziel wieder motivieren. Voraussetzung ist jedoch, dass du dich mit deinem Ziel komplett identifizierst.

Die folgende Tabelle zeigt dir zwei Beispiele, wie SMART(e)-Ziele formuliert sein könnten.

 

Visualisieren

Das Visualisieren bzw. Vorstellungstraining ist das planmäßig wiederholte, systematische, bewusste und kontrollierte Optimieren von Vorstellungen des Eigenzustandes, einer Handlung oder eines Weges, ohne die gleichzeitige praktische Ausführung[4].

Beim Visualisieren gehst du deinen Wettkampf in der Vorbereitung gedanklich immer wieder durch. Durch den strategischen Einsatz positiver innerer Vorstellungen können wir unsere Motivation und unser Selbstvertrauen nachgewiesener Weise verbessern. Unsere Vorstellungskraft ist unbegrenzt und dessen Einfluss auf unseren Körper vielfach nachgewiesen (Ufer, 2016). Indem wir Routinen entwickeln, bereiten wir uns auf mögliche auftretende Probleme vor.

Du läufst die Strecke wieder und wieder vor deinem inneren Auge ab und setzt dir Zwischenziele (Verpflegungsposten, spezielle Abschnitte, Plätze an denen Freunde und Verwandte stehen, usw.). Du kennst die unterschiedlichen Anstiege und Downhills auswendig. Weißt, wie du deine Füße und Stöcke setzen musst, um möglichst schnell und energiesparend voranzukommen. Wann und was wirst du trinken und essen? Wie schnell läufst du und was wird die größte Herausforderung für dich sein? Nach und nach entwickelst du deine eigene, perfekte Renntaktik. Wichtig: Visualisiere immer positiv und habe das bestmögliche Ergebnis im Kopf.

Jetzt stelle dir vor, du stehst am Start und hörst den Startschuss. Das Rennen läuft perfekt und du kannst alle Vorhaben in die Tat umsetzen. Du fühlst dich gut und stark, deine Renntaktik geht auf. Als du die Ziellinie endlich siehst, steigt in dir eine unbeschreiblich große Freude auf. Du hörst, wie dir die Zuschauer laut zujubeln, klatscht zahlreiche Hände ab und genießt jeden Meter auf dem roten Teppich.

Wie fühlt sich das an? Was siehst du, riechst du, denkst du in diesem Moment? Setzte all deine Sinne ein und fühle den Moment.

Das wir mit der Kraft unserer Vorstellung tatsächlich einen Einfluss auf unseren Körper und unsere Muskeln ausüben können, wurde bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen. Die Arbeitsgruppe um Ranganathan, V.K. (2004)[5] konnte beispielsweise zeigen, dass allein ein 12-wöchiges mentales Vorstellungstraining der Abduktion des kleinen Fingers zu einer Kraftzunahme von 35% geführt hat. Für die Flexion des Ellenborgens konnte eine Verbesserung von durchschnittlich 13,5% gemessen werden.

Fange also gleich an. Schließe deine Augen und drehe deinen eigenen Film des perfekten Rennens.

 

Was könnte passieren?

Ertappst du dich immer wieder dabei, wie du im Vorfeld eines Wettkampfes darüber nachdenkst, was alles passieren könnte? In deinem Kopf spielen sich Horror-Szenarien ab. Du siehst dich schon vor dem Start vorzeitig aus dem Rennen auszusteigen, weil genau dieses oder jenes Problem auftreten könnte.

Vielleicht überrascht dich während deiner Wettkämpfe auch immer wieder die gleiche Situation. Obwohl du diesem Problem schon mehrfach gegenüberstandest, erwischt es dich jedes Mal wieder aus dem Nichts und du fühlst dich hilflos (Regen und Schneefelder im Gebirge, schwere Beine ab km25, kalte Hände, etc.).

In diesen Fällen kann dir eine Liste helfen, auf der du alle Szenarien und Hindernisse aufschreibst, die einem erfolgreichen Rennen im Weg stehen könnten. Mache dich mit dem bevorstehenden Wettkampf vertraut und überlege dir, was passieren könnte. Nun entwickle zu jedem dieser Punkte ein bis zwei passende Strategien, auf die du im Fall der Fälle zurückgreifen kannst und die das Problem lösen.

Die eine oder andere Situation wird dir auch schon widerfahren sein. Erinnere dich daran zurück, wie du damals gehandelt hast. Wie hast du das Problem gelöst? Schreibe dir auch das auf. Es gibt dir Selbstvertrauen und das Wissen, dass du alles schaffen kannst.

Deine Liste könnte z.B. so aussehen:

Schaue dir die Liste immer wieder an und mache dir bewusst, dass dich nichts aufhalten kann, denn du hast für jedes Problem eine Lösung parat. Dies gibt dir Selbstvertrauen und nimmt dir mögliche Ängste. Außerdem hilft es dir, positiv und zielgerichtet in diesen Situationen zu handeln.

 

Positive Mantras und Metaphern

Mit zunehmender Distanz und Wettkampfdauer werden deine Beine immer schwerer. Du bist müde, erschöpft und es fällt dir zunehmend schwer, das Tempo zu halten.

In solchen Momenten können dir positive Metaphern und Mantras helfen, die du dir immer wieder selbst sagst. Sie sollten kurz und positiv formuliert und wertschätzend dir gegenüber sein.

Häufig reichen auch einzelne Kraftworte, Bilder, Symbole oder der Refrain eines Liedes aus. Verknüpfe diese mit positiven Erinnerungen und Vorstellungen, die dir in schweren Momenten und mentalen Tiefs wieder Kraft geben. Wie bei allen anderen Techniken, musst du auch dies im Training üben, wenn es im Wettkampf funktionieren soll.

Im dritten Teil unserer Reihe Mentaltraining geben wir dir Strategien mit an die Hand, die Du direkt im Wettkampf einsetzen kannst.

 

Quellen

[1] Weineck, J. (2010). Optimales Training. Leistungsphysiologische Trainingslehre unter besonderer Berücksichtigung des Kinder- und Jugendtrainings. 16., durchgelesene Auflage. Balingen: Spitta Verlag GmbH & Co.KG.

[2] Hardy, L., Jones, G. & Gould, D. (1996). Understanding psychological preparation for sport. Theory and Practice of Elite Performers. Chichester: Wiley.

[3] Ufer, M. (2016). Mentaltraining für Läufer. Weil Laufen auch Kopfsache ist. Aachen: Meyer und Meyer Verlag.

[4] Eberspächer, H. (2011). Gut sein, wenn’s drauf ankommt. Von Top-Leistern lernen (3. Auflage). München: Hanser.

[5] Ranganathan, V.K., Siemionow, V., Liu, Z.J., Sahgal, V., Yue, G.H. (2004). From mental power to muscle power – gaining strength by using the mind. Neuropsychologia, 42, 944-956.

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