Ermüdung erkennen & verstehen – Teil III mentale Ermüdung

Psychologische Ermüdung

Platt – Das fühlt man sich oftmals schon vor dem Lauf. Wenn die Arbeit mal wieder anstrengend war oder die Kinder fordernd. Was körperlich vielleicht keine Herausforderung darstellt, hat allerdings einen immensen Einfluss auf die mentale Verfassung. Und das wiederum kann in einem Leistungsabfall beim Sport wahrgenommen werden. Grund genug, sich der Sache im Detail zu widmen.

Deswegen soll es heute um die psychologische Ermüdung gehen. Wenn man so will, ist diese Art des Leistungsabfalls also Kopfsache.

Die Ursache dieser Ermüdung ist neuromuskulär und entstammt unserem zentralen Nervensystem (ZNS). Das ZNS besteht aus unserem Gehirn, dem Rückenmark sowie den Nervenbahnen. Aber schauen wir uns das einmal genau an.

Zentrales Nervensystem

Das ZNS ist grundsätzlich als Kontrollsystem für eine dauerhafte Funktion unseres Körpers zu verstehen und handelt mittels Informationenweiterleitung und Schutzmaßnahmen. Sobald es also Einflüsse gibt, die unserem System schaden könnten, handelt das ZNS. Die Handlungen können Schmerzsignale sein, aber bspw. auch ein abrupter Leistungsabfall.

Zum Glück steuert das ZNS nicht nur einen Leistungsabfall, sondern kann ganz im Gegenteil auch dafür sorgen, dass eine bestimmte Leistung länger aufrechterhalten wird. Unser Kleinhirn bspw. ist dabei zuständig für die Kontrolle der Muskulatur und reguliert darüber hinaus das Gleichgewicht. Nur deswegen können wir erst eine präzise und stabile Ausführung von Laufbewegungen umsetzen.

Das Zwischenhirn wiederum verarbeitet vor allem Informationen, welche über das Rückenmark weitergeleitet wurden. Das können bspw. die erwähnten Schmerzsignale nach einem Umknicken sein. Nervenzellfasern des ZNS leiten dabei elektrische Signale durch den Körper. Nur deswegen können wir Bewegungen überhaupt ausführen.

Gibt es ein Problem mit dem ZNS (bspw. Querschnittslähmung), können manche Bewegungen nicht mehr (korrekt) ausgeführt werden, weil die Signalleitung gestört wurde. Doch nicht nur Durchtrennungen oder Quetschungen spielen dabei eine Rolle. Auch eine simple Ermüdung hindert Bewegungen.

Ermüdungsresistenz lernen

Wie ihr euch mittlerweile denken könnt, werden die meisten Prozesse im Sport über das ZNS gesteuert. Viele davon sind automatisch und wir können diese nur bedingt beeinflussen. Die Ermüdung hingegen ist beispielhaft für einen Reiz, der nicht automatisch verarbeitet wird. Das Tolerieren von Ermüdung kann somit vom Gehirn erlernt werden! Und genau bei diesem Punkt solltet ihr hellhörig werden.

Wie bereits in Teil I dieser Ermüdungs-Serie erwähnt, ist das ZNS der bedeutendste Faktor, wenn wir uns mit Ermüdung beschäftigen. Dabei beziehen wir uns vor allem auf körperliche Belastungen von über drei Minuten Länge. Die Ansteuerung der Muskulatur wird extrem durch das ZNS beeinflusst und mit steigender Ermüdung wird dies immer schwieriger. Dieser Ermüdung können wir allerdings vorbeugen, indem wir bspw. Sprints sowie Schnellkrafttraining in unser Training einbauen. Dadurch lernt das ZNS, die konkrete Ansteuerung der Muskeln unter extremen Bedingungen länger aufrechtzuerhalten. Die Konsequenz ist eine präzisere Ausführung (Koordination, Schrittlänge etc.), obwohl wir uns schon längst in Laktatbereichen bewegen, die nicht mehr als aerob gelten.

Genau wie bei anaeroben Anstrengungen werden auch bei aeroben Ausdauerleistungen Ermüdungssignale von der Muskulatur über das ZNS an das Gehirn gesendet und dort interpretiert. Wenn die Glykogenspeicher sich zunehmend leeren, schickt das Hirn wiederum Signale an die Muskulatur, die eine gezielte sportliche Bewegung erschweren. Wir erfahren auch hier einen Leistungsabfall.

Zum Glück gilt für Ausdauersportler: Je öfter wir eine bestimmte Bewegung ausführen, desto mehr ist das ZNS daran beteiligt und bestimmt die Muskelkoordination. Ausdauertraining zahlt sich also aus. Und das wiederum spiegelt sich im gezielten Muskelaufbau wider. Je besser das Nervensystem eine Bewegung „kennt“, desto gezielter kann es diese Bewegung in der Zukunft erneut auslösen.

WICHTIG:

Eine extreme Ermüdung des zentralen Nervensystems kann im Übertraining enden. Seid also vorsichtig! 

Schlaf

Der Schlaf ist der wichtigste Erholungsfaktor für Sportler. Denn im Schlaf erholt sich vor allem unser ZNS.

Deswegen gilt: Bekommen wir nicht genug Schlaf (ca. 7-9 Stunden), ist oft ein Leitungsabfall die Konsequenz. Das hat übrigens meistens nichts damit zu tun, dass sich unsere Muskulatur nur unzureichend über Nacht erholen konnte. Es ist das ZNS, welches nicht genug Zeit bekommen hat, sich auf die gestiegenen Ansprüche einzustellen.

Körperliche (Höchst-)Leistungen erfordern also die Kooperation des ZNS. Ansonsten werden zu früh Ermüdungssignale an die Muskulatur gesendet, welche wir mit Gels nicht mehr ausgleichen können.

WICHTIG:

Schlafprobleme und eine evtl. damit verbundene chronische Ermüdung des ZNS können auf ein Übertraining hinweisen!

Mentale Ermüdung

Ihr kennt es bestimmt alle. Wer mental ausgelaugt in ein Bahntraining oder einen Wettkampf geht, bricht die Tortur oftmals ab. Lange bevor die Muskulatur die Koffer packt, hat unsere Psyche schon längst die Heimreise angetreten.

Doch auch die mentale Stärke kann trainiert werden.

So kann eine positive Auseinandersetzung mit Ermüdung Athleten immens helfen, die Ermüdungssymptome zu tolerieren und Leistung aufrechtzuhalten. Auch Wettkampfsituationen bereiten einen für kommende Ermüdungssituationen vor und stärken die mentale Ausdauer.

Ein großer Faktor bei der mentalen Ausdauer ist die Motivation. Gibt es Ziele und Gründe dafür, eine Ermüdung zu tolerieren, fällt dies deutlich leichter. Nicht ohne Grund machen immer wieder Ereignisse von Menschen die Runde, die in Lebensbedrohlichen Situationen körperliche Leistungen vollbracht haben, die vorher nicht denkbar gewesen wären. Dahinter steckt natürlich mal wieder unser ZNS. In Momenten der Fokussierung und des absoluten Willens verbessert es unsere Muskelkontraktionen.

Natürliches bedarf es nicht immer direkt einer lebensgefährlichen Situation, um gegen eine mentale Ermüdung während eines Ultras anzukämpfen. Gezieltes Mentaltraining (Visualisierung schwieriger Situationen im Rennen etc.) kann hier ein Erfolgsfaktor sein.

WICHTIG:

Bei einer zu hohen Toleranz für mentale Ermüdung (inkl. Ermüdung des gesamten ZNS) steigt allerdings auch die Verletzungsgefahr. Unser Körper reagiert dann nicht mehr auf die körpereigenen Signale und wir erleiden mentale Überlastungen bis hin zum Burnout. Vor allem deswegen sind gezielte Erholungsphasen im Training wichtig, damit einer chronisch-mentalen Ermüdung vorgebeugt werden kann.

Fazit

Der Einfluss des ZNS auf unsere sportliche Leistung darf niemals unterschätzt werden. Denn im Wettkampf entscheidet oft unser Gehirn über herausragende Leistungen und nicht die Muskulatur.

Diese Prozesse können allerdings im Moment der Ermüdung meist nicht mehr konkret gesteuert werden. Dazu ist Training und Toleranzaufbau gefragt. Dabei gilt es, Stress und Schlafmangel zu vermeiden. Denn beide können unsere Leistung extrem mindern, auch, wenn unsere Muskulatur topfit ist.

Insbesondere Leistungssportler profitieren deswegen stark von mentalem Coaching inkl. Visualisierung von schwierigen Rennsituationen.

 

Laafts gscheid!

Moritz

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