VO2max – der heilige Gral für Läufer*innen?!

VO2Max?! – was ist das eigentlich?

Was sagt sie eigentlich aus, diese VO2max? Wie wird sie gemessen? Und wie und warum sollte man sich mit ihr beschäftigen, sie trainieren, sie verbessern?

Stärken und Schwächen

Wir alle haben Stärken und Schwächen. Auch als Sportler.  Die physiologischen Parameter beim Ausdauersport zeigen individuelle Ausschläge nach oben und unten auf. Und dafür gibt es bestimmte Indikatoren.

VO2Max – Der Test

Einer davon ist die VO2max. Indem wir sie messen, können wir Rückschlüsse auf unsere Ausdauerfähigkeit ziehen. Messbar wird sie mittels einer klassischen Leistungsdiagnostik (Stufentest mit Atemgasmaske auf Laufband) und mittlerweile, wenn auch gröber bemessen, mit aktuellen Puls-Laufuhren.

Am Ende steht ein Wert, angegeben in ml/Min./KG, der unsere maximale Sauerstoffaufnahme widerspiegelt. Wir sprechen also von Millilitern an Sauerstoff, die wir pro Minute und in Relation zu unserem Körpergewicht bei Belastung maximal verwerten können. Dadurch haben wir ein Kriterium für unsere aerobe Ausdauerfähigkeit in der Hand.

VO2Max – Der Wert

Grundsätzlich können wir annehmen, dass ein höherer Wert besser für uns ist und eine höhere Ausdauerleistung attestiert. Somit sollten wir langen und intensiven Belastungen länger standhalten können, wenn unsere VO2max entsprechend hoch ist. Sprechen wir also vom heiligen Gral der Trainingswissenschaft; dem einzig wahren Kriterium?

Jein! Wir sprechen definitiv von einer relevanten Größe in der Trainingssteuerung. Aber warum das alles mit Vorsicht zu genießen ist, schauen wir uns später an.

Unser VO2max-Wert ist übrigens nicht nur eine Frage des Trainings. Insbesondere unsere genetische Prädisposition spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dazu kommen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Körpermasse.

Ein Wert von ca. 50 ml/Min./KG gilt allgemein als gut in Bezug auf männliche Hobby-Ausdauersportler. Untrainierte können teils deutlich darunter liegen, Profiläufer oder Skilangläufer erreichen bisweilen Werte von 90 oder mehr. Der höchste, jemals gemessene Wert wurde von Bjørn Dæhlie erreicht und lag bei 96. Frauen liegen grundsätzlich bei in etwa 10% niedrigeren Werten als ihre männlichen Pendants.

Fun-Fact: Tiere spielen wiederum in einer ganz anderen Liga. Honigbienen können Werte von bis zu 6.000 ml/Min./KG erzielen. Aber fliegen gilt nun mal nicht im Laufsport..

Das Training

Tatsache ist, dass wir unseren VO2max-Wert steigern können. Mit gezieltem, teils intensivem Training (Stichwort Intervalle) können wir schlussendlich mehr Blut pro Minute durch den Körper pumpen, wodurch mehr Sauerstoff unsere Muskeln erreicht. Das Resultat ist mehr Treibstoff für unseren Körper, der mit einer Leistungssteigerung reagiert.

Anfänger können die VO2max bereits mit langen Läufen verbessern, die bei einem relativ hohen Puls durchgeführt werden. Durchtrainierte Athleten sollten wiederum auf kürzere, intensive Einheiten zurückgreifen, bei denen auch Steigungen am Berg mit eingebaut werden.

Die Krux

Wie wir bereits wissen, bestimmt die VO2max die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Aber nicht immer gewinnt der mit dem höchsten Wert. Auch die Psyche, die Tagesform etc. sind stark entscheidend für einen Rennverlauf.

Fakt ist außerdem, dass die VO2max im Rahmen unserer Leistungs-Parameter am wenigsten trainierbar ist und somit nur einen geringen Unterschied im Training macht. Unsere Laktatschwelle sowie unsere Laufökonomie haben deutlich größeres Potenzial in Bezug auf eine Leistungssteigerung. Um hier gute Erfolge zu erzielen, ist definitiv eine professionelle Begleitung nötig.

Deshalb macht es auch Sinn, die Laktatschwelle regelmäßig zu bestimmen und zu überwachen. Die Leistung an der individuelle Laktatschwelle ist im Endeffekt der beste Wert zur Bestimmung von Ausdauerleistungen.

Die Praxis

Hier ein Beispiel aus dem echten Leben:

Ein professioneller Skilangläufer mit einem extrem starken VO2max-Wert von 90 hatte auffällig schwache Ausdauerleistungen im Wettkampf. Der Wert war genetisch bedingt hoch. Zudem hatte der Athlet viel Zeit mit intensivem Training verbracht, was die VO2max zusätzlich gestärkt hatte. Dadurch hatte er allerdings seine Grundlagenausdauer vernachlässigt, was ihm im Wettkampf das Genick brach. Bereits ruhige Einheiten ließen seinen Puls in die Höhe schnellen. Nach einer radikalen Umstrukturierung seines Trainings mit Fokus auf ruhige Grundlagenausdauer und wenigen, gezielten intensiven Einheiten, kam seine Leistung auch im Wettkampf zurück. Fazit: Ein hoher VO2max-Wert sollte niemals als alleiniges Qualitätsmerkmal von Ausdauerathleten herangezogen werden. Beispiel entnommen aus: Training for the Uphill Athlete von Steve House, Scott Johnston, Kilian Jornet.

Fazit

Die VO2max spielt definitiv eine Rolle in unserer Trainingssteuerung. Der reine Fokus auf eine Steigerung der VO2max ist allerdings nicht zielführend. Auch die Ableitung einer idealen Fitness von einem sehr hohen VO2max-Wert ist nicht korrekt. Orientiert euch immer an mehreren Parametern und vernachlässigt niemals eure Grundlagenausdauer. Den heiligen Gral gibt es nicht, aber professionelle Trainer sind sicherlich hilfreich, um hier Licht ins Dunkel zu bringen.

Laafts gscheid!

Moritz

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